Ruhr Nachrichten Lünen: Das Interview

 Reden, reden, reden…

LÜNEN. 15 Jahre stand er an der Spitze der Lüner Wirtschaftsförderung. Zum 1. April wird Michael Sponholz Geschäftsführer der Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung in Saarbrücken (GIU). Im Gespräch mit Redakteur Peter Fiedler zieht Sponholz eine Bilanz, spricht über Abschied und Neuanfang.

Heute Abend werden Sie offiziell in Lünen verabschiedet. Wie ist kurz davor die Gefühlslage?

Erst dachte ich, ich bin ganz cool, aber jetzt werde ich, je näher der Termin rückt, doch etwas angefasster. Ich bin in Lünen zur Schule gegangen, habe hier gewohnt und seit 2001 auch gearbeitet. Ich werde viele Menschen vermissen, so zum Beispiel meine Freunde aus dem Lions-Club, aber auch die Stadt selbst.

Der berufliche Wechsel ist also auch ein privater?

Ja. Meine Frau und ich haben inzwischen ein Haus in Saarbrücken gemietet. Das war auch meine Zusage an meinen neuen Arbeitgeber. Vor Ostern ziehen wir um. Wir haben Wert auf ein Gästezimmer gelegt. Die ersten Besuchstermine sind schon vereinbart. Ich werde Lünen also auch weiterhin verbunden bleiben.

Wie sieht Ihr beruflicher Blick auf Lünen aus?

Es ist faszinierend, wie sich Lünen gemacht hat. Egal, ob Arbeitslosenzahlen, Gewerbesteueraufkommen oder sozialversicherungspflichtig Beschäftigte: Wir können uns im regionalen Vergleich sehen lassen. Und wenn ein gut gehendes Fachgeschäft wie Incognito sich entscheidet, aus Werne in die Lange Straße zu ziehen, dann ist das auch ein Zeichen. Lünen muss aber in Zukunft noch mehr Tempo machen.

Warum?

Weil unsere Region im Vergleich zu Boom-Regionen immer noch verliert.

Wo sehen Sie Ansatzpunkte?

Zum Beispiel beim Wohnungsbau. Wir schaffen es kaum, die Nachfrage aus Lünen zu decken, geschweige denn, Familien aus dem Umland nach Lünen zu locken. Die wenigen neuen Projekte sind weg, kaum dass sie bekannt werden.

Welche Rolle spielen Gewerbeflächen? Kaum waren Sie im Amt, fiel ein Bürgerentscheid gegen die Ausweisung einer 30 Hektar großen Gewerbefläche aus…

… ja, und jetzt warten wir immer noch auf eine solche Fläche. Mir vorzuhalten, ich wäre ein Freiflächenfresser, ist absolut daneben. Aber schauen Sie sich die Zahl der vielen tausend Auspendler in Lünen an. Den Wohnort zum Arbeitsort zu machen, ist ein ganz wichtiges ökologisches Ziel. Der Bedarf nach Gewerbeflächen ist einfach da. Auch die Grünen in der NRW-Landesregierung wollen die Pendlerverkehre reduzieren.

Sind die Strukturen fit für die Zukunft?

Über die künftige Struktur der Wirtschaftsförderung müssen sich die politisch Verantwortlichen Gedanken machen. Bei den Verwaltungsstrukturen habe ich so meine Zweifel. Eine Metropole Ruhr interessiert nur wenige. Duisburg, Essen und Dortmund sind die Städte, auf die sich im Ruhrgebiet alles ausrichtet. Landkreise mögen früher eine gute Idee gewesen sein, warum nicht heute Umlandkreise bilden? Dortmund ist nun mal das Oberzentrum. Um in der Kreisstadt Unna etwas zu erledigen, brauche ich als Lüner über eine halbe Stunde. In der Dortmunder City bin ich mit dem Zug in einer guten Viertelstunde.

Mit welcher Strategie sind Sie eigentlich 2001 angetreten?

Die Ansiedlung von zehn Firmen mit 50 Mitarbeitern war uns wichtiger als die einer Firma mit 500 Mitarbeitern. Das hat sich ebenso ausgezahlt, wie auf den industriellen Kern zu setzen. Lünen ist nun mal keine Beamtenstadt wie Münster oder Düsseldorf. Ganz wichtig für den Erfolg war auch: Reden, reden, reden.

Inwiefern?

Viele Unternehmer, die bei uns Flächen kaufen, bauen ihr erstes eigenes Gebäude. Die muss man abholen, an die Hand nehmen, betreuen. Da darf nicht mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrages Schluss sein. Die einzige Empfehlung, die ich an meinen Nachfolger oder meine Nachfolgerin gebe, ist daher die: Das Mittelstandsversprechen muss weiter eingehalten werden.

Wie lautet das genau?

Dass eine Baugenehmigung innerhalb von sechs bis acht Wochen vorliegt. Wenn das auch in Zukunft gelingt, ist das die beste Werbung für Lünen, denn die Unternehmer erzählen es weiter.

Als Ihr Wechsel bekannt wurde, haben Sie viel Lob von Politikern und aus der Wirtschaft für Ihre Arbeit bekommen. Aber 15 Jahre Wirtschaftsförderung halten sicher auch Enttäuschungen bereit…

Ja. Meine größte Enttäuschung war die, dass Lünen bei der Ansiedlung einer weiteren Fachhochschule in NRW nicht zum Zuge kam. Alle haben uns bescheinigt, dass unsere Bewerbung für eine FH für Kreislaufwirtschaft sehr gut war, aber dann ist eine politische Entscheidung zugunsten von Hamm gefallen. Das hat mich bis ins Mark getroffen.

Was wartet in Saarbrücken auf Sie?

Natürlich eine große Herausforderung. Saarbrücken ist Landeshauptstadt und Universitätsstadt. Ich freue mich auf die Urbanität dort und auch darauf, größere Projekte zu denken und umzusetzen.

Info: WZL und GIU

  • Die WZL GmbH (Wirtschaftsförderungszentrum Lünen) mit neun Beschäftigten wird getragen von den Gesellschaftern Stadt Lünen (51 Prozent), Stadtwerke Lünen (17), Sparkasse Lünen (16) und Wirtschaftsförderung Kreis Unna (16).
  • WZL betreut und berät Firmen und Investoren, vermarktet Flächen, unterstützt Existenzgründer und betreibt das Technologiezentrum Lüntec.
  • Lünens Kämmerer Uwe Quitter führt die Geschäfte bis zu einer Nachfolge-Lösung nach dem Weggang von Michael Sponholz.
  • Neuer Arbeitgeber von Michael Sponholz ist die Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung (GIU) in Saarbrücken, ein Unternehmen der Stadt Saarbrücken.
  • Die GIU mit fast 50·Beschäftigten entwickelt, betreut und vermarktet gewerbliche Standorte insbesondere im Saarland und in Rheinland-Pfalz.

 

Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Lünen zum 30.06.Sozialversicherungspfl.AP 30.06.

Rückgang Arbeitslosenzahlen (jeweils September)Arbeitslosenrückgang

 

Quelle: Ruhr Nachrichten vom 16.03.2016