Nach nur einem Jahr setzt Engin Ergün mit Getränken und Snacks 20 Millionen Euro um. Seine Kundschaft wächst mit Tiktok und Bonus-App – auch im Ausland.

Düsseldorf. Sie nennen sich „Bros“ und „Sis“, sind jung, markenbewusst, digitalaffin und konsumfreudig. Sie hören Deutsch-Rap, besuchen Shishabars, gamen, chillen und snacken gern. „Bros begrüßen sich mit Faustgruß. Sie haben ein eigenes Vokabular und einen Ehrenkodex entwickelt“, erklärt Engin Ergün. Bro-Sein sei eine Lebenseinstellung.

Für diese junge Zielgruppe hat der Unternehmer aus Lünen im Ruhrgebiet vor einem Jahr eine eigene Lifestyle-Marke geschaffen. 4Bro bietet Eistee, Energydrinks und Maissnacks in ungewöhnlichen Geschmackssorten wie Bubblegum oder Mint-Chili. Die Verpackung kommt mit Marmordesign, Goldschrift und Goldkette bewusst protzig und ein bisschen prollig daher. Der 46-Jährige scheint damit einen Nerv getroffen zu haben.

Erst seit April 2020 ist 4Bro auf dem Markt. Inzwischen werden bis zu acht Millionen Produkte pro Monat verkauft. 2020 brachten sie Ergün zufolge bereits einen Umsatz von 20 Millionen Euro. „In diesem Jahr ist ein Bruttoumsatz von 60 bis 80 Millionen Euro mit 4Bro drin“, sagt Ergün.

Der Unternehmer will nach den Benelux-Ländern, Österreich und der Schweiz demnächst in diverse andere europäische Länder expandieren. „Bros und Sis definieren sich nicht über ihre Herkunft, sondern ihren Lifestyle – und der ist grenzüberschreitend“, sagt der Unternehmer.

4Bro ist inzwischen bei Edeka, Metro, Globus oder Lekkerland sowie bei Tankstellen von Shell bis Total in den Regalen. Rewe führt die Marke ab Mitte Mai in allen 3600 Filialen.

Timo Franke, zuständig für alkoholfreie Getränke bei Rewe Dortmund, erklärt, warum: „Die Getränke von 4Bro treffen den Zeitgeist und verkaufen sich vom Start weg sehr gut. Es gab bisher keine Eisteemarke, die die Bro-Community exklusiv angesprochen hat.“ Ungewöhnliche Sorten wie Bubblegum hätten Marktführer wie Lipton, Nestea oder Fuze nicht im Sortiment.

„Ein Erfolgsgeheimnis von 4Bro ist das clevere Marketing“, meint Franke. Die junge Zielgruppe sammelt per App bei jedem Kauf Punkte für Netflix oder den Barbershop. Das schaffe einen Kaufanreiz und fördere die Kundenloyalität. „Bros gönnen einander, geben etwas zurück. So sind auch unsere Produkte“, erklärt Ergün.

Mit einem Code auf der App, die bisher mehr als 700.000 Mal heruntergeladen wurde, können Kunden bei jedem Kauf Punkte sammeln. Dafür gibt es Gutscheine etwa fürs Tanken, die Shishabar oder das Nagelstudio um die Ecke. „Plötzlich waren wir das Payback der Bros“, scherzt Ergün.

Die Zielgruppe wird statt über TV-Werbung über Social Media angesprochen. Auf Tiktok hat 4Bro schon 220.000 Fans. Die helfen auch dabei, neue Produkte zu entwickeln. „Rein über Social Media haben wir in nur einem Jahr eine Marke aufgebaut, das wäre auf dem klassischen Weg nie möglich gewesen“, sagt Ergün.

Ihm liegt der Handel mit Lebensmitteln im Blut. Bei seinem Großvater in der Türkei half er schon als Kind mit Begeisterung im Dorfsupermarkt. Nach einem BWL-Studium in Dortmund ging er zu E-Plus und gründete später die Werbeagentur Ethno IQ. Er half Unternehmen, die türkische Community zu erreichen.

Rapper Capital Bra und Shirin David ziehen mit Eistee nach

2007 wurde Ergün zum Großhändler. Ethno IQ mit knapp 70 Mitarbeitern beliefert heute etwa 8000 Supermärkte und Kioske in Europa mit typischen Produkten aus der Türkei, von Halal-Gummibärchen über Tütensuppen bis hin zu Getränken. „Wir sind deshalb mit 4Bro von Anfang an profitabel, weil wir unsere Großhandelslogistik seit 15 Jahren aufgebaut haben.“

Der 4Bro-Eistee wird vom Getränkehersteller Wesergold produziert. „Was wir können, ist Marketing und Vertrieb“, so Ergün. 4Bro sponsert den Fußballklub Rot-Weiss Essen und hat Promis wie Sänger Pietro Lombardi und Fußballer Karim Bellarabi als Partner ins Boot geholt.

Der Erfolg von 4Bro lockt bereits Nachahmer. Rapper Capital Bra hat im Februar den Bra-Tee auf den Markt gebracht. „Der Eistee von Capital Bra verkauft sich ebenfalls gut, aber hat den Absatz von 4Bro nicht geschmälert“, betont Rewe-Manager Franke. Rapperin Shirin David folgt im Spätsommer mit ihrem „Dirtea“. Ihre Community stimmt über die Sorten ab. „Das beweist nur, dass in diesem Lifestyle ein enormes Marktpotenzial steckt“, meint Ergün zur Konkurrenz.

Auf acht Millionen „Bros“ und „Sis“ schätzt er die Community allein in Deutschland. Demnächst sollen 4Bro-Produkte in Frankreich, Polen, Griechenland, Großbritannien, Ungarn und Italien auf den Markt kommen. Bis 2022 will 4Bro in ganz Europa Fuß fassen. Die Produktpalette wird erweitert – mit Eis, Cerealien und Mobilfunkangeboten. Und auch die Marke „4Sis“ hat sich Ergün vorsichtshalber schon mal schützen lassen.

Quelle: Handelsblatt vom 15. Mai 2021 | Von: Katrin Terpitz

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